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Wir fragen nach dem Regenwald

Heute haben wir uns ein Herz gefasst, an eine Tür geklopft und nach dem Regenwald gefragt. Die Leute haben begonnen zu erzählen. Wir sind sehr aufgeregt. Das ganze Dorf hat sich in einer großen Küche in einem der Häuser versammelt.

"Ja, sicher, diesen Wald gibt es. Es ist merkwürdig."

"Der Wald liegt hinter dem Berg Mullach Coire Mhic Fhearchair in einer weiten Ebene. Aber er ist nicht immer da, ja, normalerweise ist er gar nicht da. Hinter dem Berg sieht es genauso aus wie überall."

"Der Wald entsteht innerhalb einiger Tage, dann verschwindet er wieder und nichts bleibt von ihm zurück."

"Haben sie ihn denn gesehen?"

"Ja, von Ferne"

"Wann kann man ihn sehen?"

"Vor 20 Jahren war er zum letzten Mal da. Früher, so sagt man, sei er häufiger erschienen. Und es erscheint nicht nur der Wald. Mit ihm entstehen auch Tiere und Menschen."

"Haben Sie die Menschen gesehen?"

"Nein, niemand von uns war in diesem Wald. Wir wissen es aber, unsere Großeltern und deren Eltern haben es erzählt."

"Aber Sie gehen doch dorthin wo der Wald ist?"

"Schon, es ist nichts Besonderes zu sehen. Wir haben nicht wirklich Angst, es ist eben seltsam. Die Menschen im Wald sind nackt."

"Woher wissen sie das?"



Das Mädchen und der Regenwaldmann

"Es gibt viele Geschichten. Früher wohnten hier auch die jungen Leute. Es lebte hier einmal eine junge Frau. Sie hörte alle Geschichten vom Wald. Beinahe jeden Tag ging sie hinter den Berg, damals war der Weg noch kürzer, das Land wird größer für uns. Eines Tages blieb sie fort und kam erst am nächsten Morgen zurück. Der Wald war da. Man sagt, sie hätte sich in einen Menschen verliebt, der im Wald wohnt, ein Regenwaldmann. So wird es meistens erzählt. Der Wald verschwand wieder und mit ihm der Regenwaldmann. Die junge Frau wurde traurig und wartete auf das erneute Wachstum des Waldes. Einige sagen, sie wäre darüber aus Kummer gestorben. Andere sagen, sie wäre eines Tages verschwunden als der Wald wieder wuchs, und sie würde nun im Wald leben."

"Aber das sind nur Geschichten"

"Einige behaupteten auch, sie hätten den Mann gesehen. Er sei sehr schön gewesen."



Die zwei Bäume

"Am Rand der Ebene stehen zwei große Bäume ganz nahe beieinander. Früher hat man gesagt, das seien die zwei Liebenden. Es ist Aberglaube. Wir glauben nicht daran, es sind nur Bäume. Vor einigen Jahren hat der Blitz in einen der Bäume eingeschlagen, und es ist seltsam, der andere Baum war im nächsten Sommer krank und im übernächsten Sommer war er tot. Jetzt sind beide Bäume wie tote Gerippe. Man könnte denken... nun, es ist Unsinn."



Aufbruch zum Regenwaldes

Obwohl uns diese Geschichten eher wie Märchen vorkommen sind wir doch fasziniert. Wir beschließen am nächsten Tag hinter den Berg zu gehen, egal wie das Wetter ist.

Wir waren dort. Tatsächlich, nichts Ungewöhnliches, aber eine grandiose, gewaltige Landschaft. Wir haben einige Bilder von den zwei toten Bäumen gemacht. Sie sehen nicht aus wie zwei Liebende. Von dem einen Baum, in den der Blitz eingeschlagen hat, ist nur noch ein kleiner Teil des Stammes übrig, der ungefähr einen Meter über den Boden ragt. Auf einer Seite ist er schwarz, sonst ist sein Holz schwammig und weich. Der andere Baum ist von einer beeindruckenden Größe. Teilweise ist er noch von Rinde bedeckt. Sein Holz ist ausgebleicht, hell, glatt und fest. Er hat noch sehr viele Äste, die gespenstisch in den Himmel ragen. Wir konnten einen kurzen Blick auf den Berg An Teallach werfen. An seinem Fuß erstreckt sich eine dunkle Wasserfläche, welche die Nebel festhält, der Loch na Sealga. Eine unheimliche Szenerie, aber keine Urwälder. Trotzdem sind wir nicht enttäuscht, denn man hat uns ja gesagt, daß der Wald vor 20 Jahren zuletzt da gewesen sei. Irgendetwas müßte doch aber von so einem großen Wald übrig bleiben. Wir kehren wieder um.

Am Abend treffen wir uns wieder in der Küche.

"Es gab nichts zu sehen, nichtwahr?"

"Nein, wir haben die toten Bäume gesehen. Gibt es denn keine Fotografien von dem Wald?"

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